Definition
Während der Begriff PMS bzw. prämenstruelles Syndrom ohne verbindliche Kriterien teils sehr weit gefasst wird, gibt es mittlerweile allgemein anerkannte Diagnosekriterien für die schwerste Form des PMS, nämlich die PMDS (Prämenstruelle Dysphorische Störung). Dysphorisch bedeutet dabei „gereizt / missgestimmt / angespannt“ und spiegelt die häufigsten Symptome der PMDS wieder.
Diese Kriterien finden sich bisher nur im amerikanischen Diagnosesystem DSM-5, und zwar unter der Bezeichnung „Prämenstruelle Dysphorische Störung“ (PMDS). In der erwarteten Überarbeitung der ICD (Internationale Klassifikation Psychischer Störungen), die in Deutschland aktuell als ICD-10 eingesetzt wird, werden solche Diagnosekriterien voraussichtlich auch enthalten sein (ICD-11). Es ist zu hoffen, dass damit dann auch die Behandlungsbedürftigkeit dieser Störung besser wahrgenommen wird und sich die Versorgungsangebote verbessern.
Häufigkeit
Etwa 75% aller Frauen im gebärfähigen Alter nehmen in der zweiten Zyklushälfte (der sogenannten Lutealphase) und besonders in den Tagen vor Beginn der Menstruation körperliche und/oder psychische Veränderungen wahr. Dabei ist der Schweregrad sehr unterschiedlich, und nicht alle Frauen fühlen sich dadurch beeinträchtigt. Das ist allerdings anders bei der Prämenstruellen dysphorischen Störung (PMDS), die sich bei Anwendung entsprechend eng definierter Kriterien (s. unten) bei etwa 2 bis 5% aller Frauen findet.
Auswirkungen
Besonders die typischen psychischen Symptome der PMDS (Reizbarkeit, Anspannung, Stimmungsschwankungen, erhöhte Empfindlichkeit) führen nicht selten zu ausgeprägten Schwierigkeiten im zwischenmenschlichen Bereich, so etwa Konflikte und Streitigkeiten in der Partnerschaft oder am Arbeitsplatz, wobei diese bis hin zu tätlichen Auseinandersetzungen mit dem Partner führen können. Ein besonderer Leidensdruck entsteht bei den betroffenen Frauen, wenn sie im Umgang mit ihren Kindern die Kontrolle verlieren und ihre sonst üblichen Erziehungsstrategien nicht mehr einhalten können. Frauen illustrieren dies manchmal mit dem Vergleich „Ich fühle mich wie Dr. Jekyll und Mr. Hide“. Schwere depressive Verstimmungen bis hin zu regelmäßig wiederkehrenden lebensmüden Gedanken kommen ebenfalls vor. Die typischen Symptome sind im nächsten Absatz aufgeführt, wobei nicht immer alle Symptome vorhanden sind und in den Zyklen auch schwanken können.
Symptome (nach DSM-5)
Typische Symptome einer „Prämenstruellen Dysphorischen Störung“ (dysphorisch = gereizt, angespannt) sind nach DSM-5:
- Depressive Verstimmung, Hoffnungslosigkeit, Selbstherabsetzende Gedanken
- Ängstlichkeit / Anspannung
- Deutliche Stimmungsschwankungen (plötzliche Traurigkeit, Weinen, Empfindlichkeit gegenüber Zurückweisungen)
- Andauernde Reizbarkeit oder Wut, als Folge vermehrte zwischenmenschliche Konflikte
- Interesselosigkeit für übliche Aktivitäten
- Konzentrationsschwierigkeiten
- Leichte Ermüdbarkeit, Energieverlust
- Appetitveränderungen (z.B. Heißhungerattacken, Verlangen nach bestimmten Lebensmitteln, wie etwa Süßigkeiten)
- Schlafstörungen (erhöhtes Schlafbedürfnis, Schlaflosigkeit)
- Gefühl des Überwältigtseins oder Gefühl, außer Kontrolle zu geraten
- Körperliche Symptome (z.B. Brustempfindlichkeit oder -schwellung, Kopf-, Gelenk- / Muskelschmerzen, Gefühl des Aufgedunsenseins, Gewichtszunahme etc.
Diagnosekriterien (nach DSM-5)
- Während der Mehrzahl der Menstruationszyklen der vergangenen 12 Monate bestanden mindestens 5 der oben genannten Symptome in der Woche vor Beginn der Menstruation. Die Symptome klingen innerhalb weniger Tage nach ihrem Einsetzen ab. Mindestens eines der oben genannten Symptome 1, 2, 3, oder 4 war vorhanden.
- Deutliche Beeinflussung beruflicher Leistungen und sozialer bzw. familiärer Beziehungen (z.B. durch Konflikte als Folge der Reizbarkeit).
- Die Symptome sind nicht Ausdruck einer anderen Störung, z.B. einer depressiven Störung oder einer Angststörung.
- Eine tägliche Selbstbeobachtung über mindestens zwei Zyklen bestätigt die Störung.
Entstehung
Die im Menstruationszyklus auftretenden hormonellen Veränderungen mit Schwankungen der verschiedenen Hormone (z.B. Östradiol und Progesteron) stellen wahrscheinlich nur einen Faktor einer sogenannten multifaktoriellen Entstehung bei einem ausgeprägten PMS bzw. einer PMDS dar. Mit „multifaktoriell“ ist eine Verursachung durch verschiedene zusammenwirkende Mechanismen gemeint. Möglicherweise beteiligte Faktoren können neben einer familiären Belastung mit psychischen Erkrankungen oder einer eigenen Vorgeschichte mit Depressionen oder Ängsten z.B. Belastungen in der aktuellen Lebenssituation, Stress und Ernährungsstil sein. Zumindest für die schwerer ausgeprägte PMDS-Symptomatik mit deutlicher Reizbarkeit oder Depressivität muss von mitverursachenden biologischen Faktoren ausgegangen werden, wie etwa Besonderheiten im Hirnstoffwechsel (Serotonin-System).
Was hilft?
Das bloße Wahrnehmen körperlicher und/oder psychischer Symptome in der zweiten Hälfte des Zyklus muss noch nicht unbedingt zur medikamentösen Behandlung führen. Bei leichteren Formen des PMDS wirken sich ebenso wie beim PMS allgemein Veränderungen des Lebens- und Ernährungsstils, Sport oder auch der Einsatz pflanzlicher Präparate zur Beseitigung der körperlichen Begleitsymptome (z.B. bei Brustspannen, Kopfschmerzen etc.) oftmals positiv aus. Auch Ruhephasen und Stressreduktion können hilfreich sein.
Oftmals klingen die Symptome bei Einnahme eines Kontrazeptivums (Pille) deutlich ab, treten aber entsprechend auch beim Absetzen der Pille nicht selten erstmals massiv auf. Am effektivsten wirkt die Einnahme im sogenannten Langzyklus, d.h. ohne Pillenpause. Mittlerweile gibt es Pillen-Präparate, die speziell für den Langzyklus zugelassen sind.
Der Einsatz psychotherapeutischer Strategien kann hilfreich sein, wenn Umgebungs- und Verhaltensfaktoren zur Verstärkung der Symptome beitragen, auch wenn die Frauen in der akuten PMDS-Symptomatik oft nicht auf das Erlernte zurückgreifen können. Trotzdem können das Einüben von Entspannungsverfahren sowie von Methoden zur Stressreduktion und ein bewusster Umgang mit der Problematik entlastend wirken.
Helfen alle diese Strategien nicht, dann kann bei der PMDS, bei der die psychische Symptomatik mit Reizbarkeit, Anspannung oder Depressivität zu den oben beschriebenen Schwierigkeiten führt, eine medikamentöse Behandlung mit einem Antidepressivum in Erwägung gezogen werden.
Eingesetzt werden Antidepressiva, die auf den Serotoninstoffwechsel einwirken, sogenannte Serotoninwiederaufnahme-Hemmer (nach der englischen Bezeichnung abgekürzt als SSRI). Für alle Substanzen dieser Gruppe gibt es gut kontrollierte Studien, die die Wirksamkeit belegt haben (so etwa für die Substanzen Fluoxetin, Paroxetin, Citalopram, Escitalopram, Sertralin, Venlafaxin).
Dabei sind diese Substanzen sowohl bei kontinuierlicher (durchgehender) Einnahme während des gesamten Zyklus, wie auch bei der sogenannten intermittierenden Gabe, also Einnahme nur in der zweiten Zyklushälfte, wirksam. Die eigene Praxis hat gezeigt, dass zu Beginn die durchgehende Gabe sinnvoll ist, beginnend mit niedrigen Dosierungen und Steigerung bei Bedarf (evtl. auch nur in den Tagen vor der Periode).
In schweren Fällen kann auch die Kombination von Pille und Antidepressivum sinnvoll sein.
Unbedingt ein Zyklustagebuch führen
Wie den Kriterien oben zu entnehmen ist, gehört die Zyklusdokumentation über mindestens 2 Monate zur Diagnostik dazu. Hilfreich für die behandelnde Ärztin/den Arzt ist es, wenn Sie ein solches Zyklustagebuch schon geführt haben und dies zum Termin mitbringen. Auch für Sie selbst wird dadurch vielleicht klarer, wie Ihre Beschwerden mit Ihrer Menstruation oder auch anderen Einflussfaktoren zusammenhängen. Spezielle Zyklustagebücher gibt es inzwischen als APP für Smartphones. Ein Zyklustagebuch zum Download findet sich auch auf dieser Homepage. Dieses Zyklustagebuch sollte auf jeden Fall auch während der Behandlung fortgeführt werden, um die Wirksamkeit wirklich beurteilen zu können.
Wer hilft
Wie schon ausgeführt, ist es nicht immer einfach, eine effektive Behandlung für eine PMDS zu erhalten, da die Verschreibung von Antidepressiva eher Psychiatern und Allgemeinmedizinern vorbehalten ist und die Gynäkologin/der Gynäkologe sich vielleicht damit nicht so gut auskennt.
Ein Zusatzproblem liegt darin, dass es ja bisher keine speziell für diese Problematik zugelassenen Medikamente gibt, was auch daran liegen dürfte, dass bisher das gängige Diagnosesystem ICD-10 keine entsprechenden Diagnosekriterien enthält.
Besprechen Sie dennoch zunächst mit Ihrer Gynäkologin/Ihrem Gynäkologen die Problematik; vielleicht hat sie/er schon Erfahrung mit der Behandlung oder ist bereit, diese zu sammeln. Für die leichteren Formen des PMS, wobei auch pflanzliche Präparate helfen können, ist sie/er sowieso Ihr Ansprechpartner. Alternativ wird sie/er Ihnen vielleicht zunächst die Pille im Langzyklus verordnen, was immer ein guter Einstieg ist, wenn keine Kontraindikationen dagegen vorliegen.
Eine Psychotherapeutin/ein Psychotherapeut (vorzugsweise Verhaltenstherapie) hilft beim Umgang mit der Problematik und ihren Folgen.
Verlauf
Beginnen kann ein PMS in jedem Alter nach Einsatz der ersten Periode; die ausgeprägte PMDS-Symptomatik beginnt oft später. In Behandlung kommen vor allem Betroffene zwischen 30 und 40 Jahren. Die Verschlimmerung mit zunehmendem Alter oder nach einer Entbindung ist nicht ungewöhnlich; möglicherweise spielen dabei die geringeren Rückzugsmöglichkeiten bzw. erhöhte Belastungen durch die familiäre und berufliche Situation eine Rolle.
Die Symptome verschwinden gewöhnlich mit Einsetzen der Wechseljahre.
Die Symptomatik kann in verschiedenen Zyklen variieren, z.B. auch beeinflusst von der Belastung und der Lebenssituation.
Wenn eine medikamentöse Therapie erfolgreich ist, heißt das nicht automatisch, dass die Medikamente über viele Jahre genommen werden müssen. Nach einer ausreichend langen Behandlungszeit (mindestens ½ Jahr) kann ein Absetzversuch vorgenommen werden. Unsere klinische Erfahrung hat gezeigt, dass dann oftmals so etwas wie „Beruhigung“ eingetreten ist, was zumindest ein vorübergehendes Aussetzen der Behandlung möglich macht. Dies kann vor allem deshalb sinnvoll sein, weil leider manche Frauen unter sexueller Unlust als Nebenwirkung der Antidepressiva vom SSRI-Typ leiden.
Werden Sie zur Expertin für Ihre PMDS
Auch wenn prinzipiell die Behandlung der PMDS nicht kompliziert ist, verlangt sie doch von den Betroffenen oft Geduld sowie die Bereitschaft zur Selbstreflexion und Verhaltensänderung. Unsere praktischen Erfahrungen haben gezeigt, dass beispielsweise die Behandlung mit Antidepressiva sehr unterschiedlich sein kann: Manche Frauen brauchen hohe Dosierungen eines Medikamentes, andere nur sehr geringe Dosierungen, manchmal sogar nur tropfenweise (hilft übrigens auch bei hoher Nebenwirkungs-Empfindlichkeit). Manche Frauen kommen mit der intermittierenden Gabe zurecht, also nur in der zweiten Zyklushälfte, andere wiederum nehmen das Antidepressivum durchgängig, dann aber in der zweiten Zyklushälfte höher dosiert, und noch andere profitieren von der Kombination mit einer Pille. Schon an der Aufzählung dieser Möglichkeiten wird deutlich, dass die Behandlung sehr individuell sein muss, aber auch kann. Deshalb: Werden Sie zur Expertin für Ihre PMDS.
PMDS-Zyklustagebuch
Literatur für Betroffene
- Dorn A., Schwenkhagen A., Rohde A. PMDS als Herausforderung. Die Prämenstruelle Dysphorische Störung als schwerste Form des PMS. Kohlhammer. 2022
- Interview mit Frau Prof. Rohde zum Nachlesen: „PMDS – Die schwerste Form des prämenstruellen Syndroms“
Literatur für Fachleute
Weiterführende Informationen
- PMDS.team
- „Ein bisschen Verständnis, bitte – So schlimm kann PMS sein“ Interview mit Frau Dr. Andrea Hocke
- Regelschmerzen, PMS, PMDS: Warum leiden Frauen an ihren Tagen? Podcast der Techniker Krankenkasse mit Frau Dr. Hocke zum Thema PMS und PMDS
- „World Health Organization adds Premenstrual Dysphoric Disorder (PMDD) into the ICD-11“ Informationen zur Diagnose PMDD im ICD-11 ab 2022
- „When PMS symptomes interfere with functioning & quality of life“ MGH Center for Women`s Mental Health
So erreichen Sie uns
gynpsy-ambulanz@ukbonn.de
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0228 287-14737
Weitere Themen
Literatur
Hier können nur ein paar wenige Literaturhinweise gegeben werden. Jeder Buchladen verfügt jedoch über ein umfassendes Angebot zu diesem Thema. Von Selbsterfahrungsberichten raten wir Betroffenen ab.
Lesenswerte Bücher:
- Berg, L.: Brustkrebs – Wissen gegen Angst. Kunstmann-Verlag
- Vetter, G.: Brustkrebs – was nun? Kösel -Verlag
- Freudenberg, E.: Der Krebskranke und seine Familie – Einander verstehen, einander helfen. Trias Verlag
- Deutsche Krebshilfe: Hilfen für Angehörige (Nr. 30). Die blauen Ratgeber.
- Broeckmann, S.: Plötzlich ist alles ganz anders – wenn Eltern an Krebs erkranken. Klett-Cotta Verlag